Das Team ist über Ihre chronische Erkrankung informiert, und doch wirken Vorgesetzte hilflos oder Ihr Team ignoriert Ihre Situation am Arbeitsplatz? Hier ein wichtiges Bindeglied, das die Arbeit statt die Krankheit in den Fokus rückt.
Erst einmal große Anerkennung für Ihre Offenheit! Für alle im Team ist durch Ihre offenen Worte nun klar, dass sie es mit einem Teammitglied zu tun haben, das chronisch erkrankt ist. So kann auf persönliche Bedürfnisse viel besser Rücksicht genommen werden und Aufgaben besser verteilt werden. Haben Sie sich das auch so gedacht? Ernten Sie jedoch nun vom Team Desinteresse oder Augenrollen? Werden Ihre Bedürfnisse bagatellisiert oder gar ignoriert? Fühlen Sie sich nicht mehr richtig eingebunden?
Dann richtet sich dieses Verhalten in den allermeisten Fällen gar nicht gegen Sie als Person. Als Abwertung kann man betretenes Schweigen oder verstummende Gespräche schon verstehen. Genau wie Projektverantwortlichkeiten, die Ihnen wieder entzogen oder gar nicht erst angeboten werden. Vielmehr wissen Kolleg:innen jedoch nicht, wie man angemessen auf persönliche Informationen reagiert. Leider passiert es, dass die Unsicherheit über die richtigen Worte zu vermeidendem Verhalten innerhalb des Teams führen kann. Die chronisch erkrankten Mitarbeitenden fühlen sich dann häufig unverstanden. Sie waren loyal, kommunizieren ehrlich und kommen nun mit einem unguten Gefühl zur Arbeit. Die Anspannung hat sich durch ein offenes Gespräch gar nicht aufgelöst. Die Arbeitsbedingungen haben sich in so manchem Fall sogar verschlechtert.
Wenn mir Klient:innen solche Situationen schildern, ist es sehr wahrscheinlich, dass Ihr Team die wichtigste Info noch nicht erhalten hat: Dem Team fehlt die Klarheit darüber, wie sich Ihre chronische Erkrankung auf Ihre Leistung und die zukünftige Zusammenarbeit am Arbeitsplatz auswirken wird. Warum müssen die Kolleg:innen überhaupt wissen, dass Sie, beispielsweise, ein Rückenleiden oder Schmerzen haben?
Statt: „Übrigens, ich habe Multiple Sklerose“. Oder: „Ich wechsle demnächst das Büro/die Abteilung.“
Versuchen Sie: „Die meisten von euch wissen es nicht, ich habe Multiple Sklerose. Diese unheilbare Nervenerkrankung spüre ich derzeit am meisten beim Gehen. Die vielen Wege übers Gelände und die Büroebenen kosten mich unnötig Kraft. Das Treppensteigen kann ich schon länger nicht verlässlich leisten. Um meine Energie für meine eigentlichen Aufgaben zu nutzen, werde ich daher ab März das Büro im Erdgeschoss beziehen. Am besten erreicht ihr mich weiter per Telefon und E-Mail/Chat. Bei den Teammeetings sehe ich euch wie gewohnt im Konferenzraum.“
Intimdetails möchte niemand hören – Sie sind für gute Leistung und Zusammenarbeit auch nicht nötig
Sollen Sie wirklich so ehrlich sein? Sie brauchen es nicht. Rechtlich sind Sie, z.B., nicht auskunftspflichtig über Ihre Diagnosen. Jedoch müssen Sie ehrlich sein, ob eine Eignung für bestimmte Einsatzbereiche vorliegt. Aber wir wären ja nicht hier, wenn es mit den richtigen Worten nicht einfacher gehen könnte. Also, reden Sie? WARUM denn nicht!
Vorweg die Wahrheit: Ihr Team interessiert in der Regel nicht, ob oder woran Sie erkrankt sind.
Ihr Team interessiert viel mehr:
Was bedeutet es für die Arbeit des Teams, dass Sie veränderte Bedingungen benötigen?
Daraus ergibt sich auch:
- Wie lange wird der Zustand anhalten?
- Wer macht Ihre Arbeit, wenn Sie diese (vorübergehend) nicht selbst erledigen können?
Das sind wirklich gute Nachrichten. Auf diese Weise können Sie gleichermaßen professionell auf Ihre Gesundheit und wirksam auf Team- und Arbeitsprozesse Einfluss nehmen.
Wenn Sie persönliche Informationen am Arbeitsplatz teilen, verbinden Sie diese Information also gleich mit dem Hinweis ans Team, wie sich die neue Situation auf
- Ihre Arbeitsleistung
- die Anwesenheit und
- Verantwortungsbereiche auswirken wird.
Lenken Sie vom Umstand Krankheit auf die Auswirkung fürs Team, wenn Sie die Situation am Arbeitsplatz zu Ihren Gunsten verbessern wollen
Sie helfen dadurch auch dem Team, sich viel leichter zu orientieren:
- Mit dieser Kommunikation bringen Sie Ihr Team wieder ins Handeln.
- Da Ihr Team besser versteht, weshalb Sie nun andere Bedingungen benötigen, können sich Kolleg:innen im Rahmen ihrer Möglichkeiten besser einbringen und Sie wirklich unterstützen. Sie werden erstaunt sein, auf welche praktische Ideen und Arbeitsabläufe Kolleg:innen kommen können, um die Zusammenarbeit zu verbessern. Das finde ich fair, denn nicht alle persönlichen oder körperlichen Einschränkungen sind auf den ersten Blick sichtbar.
- Die Unterstützung, die Sie jetzt erhalten, schafft nicht nur Awareness im Team, sondern kann zu einem anderen Zeitpunkt Ihren Kolleg:innen selbst einmal nützlich sein.
Und keine Sorge: Ihre Krankheits-News bekommen durch Ihr Outing nicht weniger Beachtung, im Gegenteil. Sie verpassen ihnen nur den angemessenen Rahmen. Zukünftig erfahren Sie sehr wahrscheinlich mehr Wertschätzung. Denn Kolleg:innen fällt es durch Ihre klaren Hinweise leichter, Arbeit konkret anders zu verteilen, veränderte Leistung oder Bedürfnisse überhaupt wahrzunehmen, mögliche Arbeitswege zu verkürzen oder einfach mal nachzufragen, ob sich der hier genannte Bürowechsel auch wirklich für Sie gelohnt hat.
Indem Sie Ihr Team aus dem ersten Schockmoment rausführen und ins praktische Handeln überleiten, positionieren Sie sich als kompetentes und verlässliches Teammitglied. Wie professionell ist das denn! Ein bisschen Pionierarbeit gehört dazu. Das kann als ungerecht empfunden werden und manchmal aufregend sein. Ich finde jedoch, Sie, als Expert:in für Ihre eigene Situation, können durch das klare Äußern Ihrer Bedürfnisse Ihre Bedingungen am Arbeitsplatz einfach besser steuern. Lassen Sie sich das nicht nehmen.
Ich hoffe, Sie fühlen sich nun sicherer, für sich und Ihre Bedürfnisse am Arbeitsplatz einzustehen.
Falls Sie eine ähnliche Situation erleben oder ein schwieriges Gespräch am Arbeitsplatz gut vorbereiten möchten, melden Sie sich gerne. Zusammen finden wir das richtige Wording und überlegen Strategien, die Ihnen Sicherheit am Arbeitsplatz und Ihrem Team Klarheit und eine sichere Planung bieten können.